Mit dem Bau der Seeschleuse Cuxhaven wurde in den 1960er-Jahren der Zugang zum "Neuen Fischereihafen" erschlossen. Ziel dabei war es, den dahinterliegenden Hafen tideunabhängig nutzbar und sicherer zu machen. Gleichzeitig schützt das verbundene Schleusensystem den Hafen und die Stadt vor Sturmfluten. Die Bedientechnik wurde 2022 komplett erneuert – mit atvise® scada von Bachmann.

Infobox: Seeschleuse Cuxhaven

Die Seeschleuse Cuxhaven verläuft über eine Gesamtlänge von 190 Metern, ist 24 m breit und 9 m tief. Die Anlage verfügt über drei Schleusentore, je eines im Außen-, Mittel und Binnenhaupt. Die Besonderheit dabei ist, dass die Tore am Außen- und Binnenhaupt befahren werden können. Zum Öffnen der Tore wird die jeweilige Straßenquerung angehoben und das Schleusentor unter der Fahrbahn durchgeschoben – ein spektakuläres Detail, das in den vergangenen Jahrzehnten Tausende Besucher angelockt hat. Neben dem Schiffsverkehr muss der Schleusenwärter damit auch den Zivilverkehr im Auge behalten, was aufgrund der großen Ausdehnung nur mithilfe einer ausgeklügelten Videoüberwachung gelingt.

Zukunftsfähige Steuerung

Aufgrund ihrer Aufgabe im Hochwasserschutz gilt die Seeschleuse Cuxhaven als kritische Infrastruktur. Um die Betriebssicherheit auch vor dem Hintergrund des stetig wachsenden Schleusenverkehrs aufrechtzuerhalten, musste nun die Steuerung ersetzt werden. Es waren keine Ersatzteile mehr zu bekommen. Dabei stellten sich dem Betreiber Niedersachsen Ports verschiedene Herausforderungen. Zum einen galt es, den Hauptsteuerstand nach den neuesten Sicherheitsstandards redundant anzubinden. Dieser ist per Glasfaser abgesetzt und einige Kilometer entfernt beim Hafenmeisterbüro eingerichtet. Ein Server steht dort, ein zweiter ist am Schleusenturm beim zweiten (Not-)Steuerstand installiert. Gleichzeitig musste die neue Lösung offen genug sein, um die bestehende Antriebstechnik der Schleusen integrieren zu können. Auch die zahlreichen Überwachungskameras waren einzubinden.

Sicherheit geht vor

Gesucht war also eine zukunftsfähige SCADA-Lösung, die redundant ausgelegt werden kann und webfähig ist. „Die redundante Auslegung des Systems hat für uns erste Priorität, denn die Schleuse muss bei drohendem Hochwasser einfach immer funktionieren“, bekräftigt Jürgen Höpcke, Projektmanager Technik bei Niedersachsen Ports. Aufgrund der hohen Kritikalität kann die Schleuse im Notfall deshalb immer quasi „von Hand“ geschlossen werden: „Wenn die Steuerung oder die Visualisierung streikt, dann gehen wir an den Steuerstand im Schleusenturm und umgehen mit Taster die SPS“, erklärt Höpcke. „Sollte auch das nicht funktionieren, dann können wir als letztes Notszenario einen Riemen auf den Antrieb werfen und den Motor direkt mit der Schleusenmechanik verbinden.“ In diesem Moment gelte nur eines: Tore zu, egal wie, und den Hafen und die dahinterliegenden Einrichtungen sichern.

Modern trifft 'antik'

Eine Herausforderung bestand ebenso darin, die vorhandene, über 60-jährige Antriebstechnik mit einer modernen Bedienlogik zu verbinden. Die Torantriebe werden nämlich von einem Ward-Leonard-System geregelt. Diese elektrische Motordrehzahlsteuerung sei zwar eine alte, aber extrem robuste und immer noch stabile Technik. Ihre Erneuerung bedeute eine sehr kostspielige Umbaumaßnahme, die zudem eine Stilllegung des Schleusenbetriebs nach sich ziehen würde. Neben den elektrischen Komponenten müsste dann auch der komplette Antriebsstrang der Tore getauscht werden.

Umfangreiche Risikobeurteilung

Trotz der Forderung nach Wirtschaftlichkeit war und ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Anlage das oberste Gebot. „Die Risikobeurteilung und Abstimmung des Gesamtsystems erfolgte nach der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und mit einer entsprechenden Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA)“, erklärt hierzu Dipl.-Ing. Jan Block von HIT Hafen- und Industrietechnik, dem Systemintegrator des Projekts. Jedes Tor hat deshalb eine eigene, fehlersichere Steuerung und kann völlig autonom von den jeweils beiden anderen bewegt werden.

Vertraute Bedienung

Auch in der Bedientechnik standen die Fragen der Sicherheit an erster Stelle. Ganz bewusst schloss man deshalb eine Bedienung von außerhalb des eigenen Netzwerks aus: „Es geht um Cybersicherheit, aber es geht genauso um die Verfügbarkeit und Bedienbarkeit, die mit einem externen Arbeitsplatz kaum zu gewährleisten ist“, sagt Jürgen Höpcke. 

Das SCADA-System wurde auf Basis von Bachmanns atvise® realisiert, das hier seine Stärken ausspielt: „Es gibt etliche Bedienstellen in den Funktionsgebäuden, an denen das Schleusenbild visualisiert werden muss. Da tut man sich mit einer auf reiner Webtechnik aufbauenden Technologie deutlich leichter und ist zugleich für die Zukunft gerüstet“, bestätigt Jens Schürmann, Inhaber des Ingenieurbüros JSEngineering, der das System geplant und eingeführt hat. „Dazu bringt atvise® eine starke Datenbankplattform mit, was uns das notwendige Loggen der Betriebsdaten erleichtert.“ Die Offenheit von atvise® hat Schürmann überzeugt und es ihm ermöglicht, die Bedienoberflächen ganz eng an die Vorgängerversionen anzulehnen: „Damit ist nicht nur die Akzeptanz der neuen Lösung beim Bediener größer, auch die Sicherheit steigt definitiv. Eine vertraute Umgebung gibt in einer Stresssituation enormen Rückhalt.“

Mehr als erwartet:

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Jürgen Höpke, Projektmanager bei Niedersachsen Ports

„Ich denke, wir haben das gut gemacht. Wir haben eine zukunftsfähige Plattform, in die wir uns zudem sehr schnell einarbeiten konnten. Alle Beteiligten hatten im Verlauf des Projekts auch die Flexibilität, auf Wünsche einzugehen. 

Das hat uns manchen Zusatzgewinn ermöglicht, beispielsweise mit Anzeigen, welche wir in der alten Bedienfeldansicht gar nicht visualisieren konnten. Und wenn es einmal hakte, dann haben wir immer sehr zeitnah eine Lösung erhalten.“

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Jens Schürmann, Inhaber des Ingenieurbüros JSEngineering

„Es gibt etliche Bedienstellen in den Funktionsgebäuden, an denen das Schleusenbild visualisiert werden muss. Da tut man sich mit einer auf reiner Webtechnik aufbauenden Technologie deutlich leichter und ist zugleich für die Zukunft gerüstet." 

Die Offenheit von atvise® hat Schürmann überzeugt und es ihm ermöglicht, die Bedienoberflächen ganz eng an die Vorgängerversionen anzulehnen: "Damit ist nicht nur die Akzeptanz der neuen Lösung beim Bediener größer, auch die Sicherheit steigt definitiv. Eine vertraute Umgebung gibt in einer Stresssituation enormen Rückhalt.“

Kundensteckbrief

Systemintegrator: HIT Hafen- und Industrietechnik
Ingenieurbüro: JSEngineering
Industrie: kritische Infrastruktur
Projekt(e): SCADA-Lösung für Seeschleuse
Produkt:  atvise® scada inkl. Redundanz
Endkunde: Niedersachsen Ports